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Die Anfänge >> Carneval 1564: Jägerstreit und Spießrutenlaufen >> Carneval 1614: Die Fahne der barocken Lebenslust >> Carneval 1815: „Lustbarkeiten“ genehmigt, aber „ohne Nachtschwärmereyen...“ >> Carneval 1869: Die erste Fastnachtszeitung erscheint, die Dammer lernen, sich zum Carneval zu kostümieren >> Carneval 1892/93: Eine Woche früher zu feiern wird nun zur Regel >> Carneval 1904: Das erste Umzugsfoto! >> Carneval in den 1920-er Jahren: Mit „Besenschmeißen“ gegen das Carnevalsverbot >> Dammer Carneval 1933: im Juli und in Vechta... Vor 75 Jahren stieg Phönix aus der Asche Carneval 1564: Jägerstreit und Spießrutenlaufen Obwohl längst bekannt ist, dass wohl im ganzen christlichen Abendland vor Beginn der Fastenzeit spätestens seit dem Mittelalter närrisch-ausgelassene Aktivitäten nachzuweisen sind, gibt es für die Region des Oldenburger Münsterlandes dafür recht wenige konkrete Belege. Sie sind eher zufällig oder beiläufig, wie es der Dammer Beleg von 1564 ebenfalls ist. Vorausgeschickt werden muss der Hinweis auf den schon drei Jahrhunderte dauernden Streit der Fürstbischöfe von Münster und Osnabrück um Damme, der sich auf alle Lebensbereiche erstreckte. So ging es in diesem Fall um die Berechtigung zur Jagd in den Wäldern der Dammer Berge. Nachdem sich nun 1564 ein Osnabrücker und ein Münsterscher Untertan „am Stutenberge“ in dieser Weise stritten ![]() ![]() >> nach oben Carneval 1614: Die Fahne der barocken Lebenslust ![]() Es ist die Fahne, deren Original heute im Stadtmuseum gezeigt wird. Nicht nur dass sie die Inschrift „Anno 1614“ trägt, sondern die Art der Darstellung des Narren entspricht in ihrer fehlenden Tiefe oder Dreidimensionalität wie auch in ihrer Emblematik, d. h. den Beigaben, die eine symbolische Bedeutung haben, ganz und gar der Barockzeit. Hinzu kommt die zeittypische Aufforderung eines recht derben „Lass ne sausen“ auf der Rückseite der Fahne. Damit ist 1614 mit dem Höhepunkt barocker Lebenslust ausgesprochen einleuchtend. ![]() Die Carnevalsgesellschaft darf also getrost von dem Gründungsjahr 1614 ausgehen, zumal es aus gleicher Zeit weitere Belege für die Feiern aus närrischem Anlass gibt, etwa in einer Geburtsurkunde der Familie Wedemeyer, in der vom „Großfastelabendt“ die Rede ist. Allerdings feierten die Narren ihre Fastnacht als Heischegang. Das heißt: Sie gingen am Abend vor Beginn der Fastenzeit, also vor Aschermittwoch von Haus zu Haus, sammelten alles Ess- und Trinkbare, um alles die Nacht hindurch kräftig zu verprassen. Daher auch das Wort Fastnacht. Anschließend musste sechseinhalb Wochen bis Ostern gefastet werden. >> nach oben Carneval 1815: „Lustbarkeiten“ genehmigt, aber „ohne Nachtschwärmereyen,...Unordnung und polizeywidriges Betragen“ Aus dieser Zeit sind nicht viele Belege zur Dammer Fastnacht erhalten. Umso aufschlussreicher ist darum das folgende Dokument von 1815, in der Dammes Kirchspielsvogt Bernard Anton Huesmann um Genehmigung beim Amt Steinfeld für die zum Carneval üblichen „Lustbarkeiten“ ersucht. Neben dem zu dieser Zeit üblichen „Heischegang“ von Haus zu ![]() Da den Wirten die Verantwortung für die Ordnung übertragen wurde, darf man davon ausgehen, dass die Gaststätten vor Beginn der Fastenzeit ausgiebig aufgesucht wurden. >> hier finden Sie die Übertragung (PDF-Datei) >> nach oben Carneval 1869: Die erste Fastnachtszeitung erscheint und die Dammer lernen, sich zum Carneval zu kostümieren Die Zeit um 1870 ist für Damme ganz entscheidend, denn nun beginnt ein tief greifender Wandel von der Fastnacht zum Carneval. Man könnte auch sagen: Die Dammer lernten erst jetzt, sich zu kostümieren. Tatsächlich war bis dahin der Umzug zur Fastnacht der „Heischegang“, bei der die Gaffel das einzige zweckentfremdete und mit allerlei Würsten, Schinken „verkleidete“ Instrument war . Nur der Zeitpunkt gab diesem großen Gelage den Namen: „Fastnacht“. Das bedeutet: Eigentlich war der Dienstag der reguläre Umzugstag. Bis heute hat sich aus diesem Heischegang der Gänsemarsch erhalten, der ja auch am Dienstag nach den beiden Umzugstagen stattfindet. Um 1870 kamen über Münster und Osnabrück die rheinischen Formen nach Damme. Sie brachten kostümierte und thematisch bestimmte Rosenmontagsumzüge, Maskenbälle und Narrensitzungen mit Büttenvorträgen oder einer Festtagszeitung, aber auch die Carnevalsprinzen mit sich. Der Prinz war dabei eine genauso ironische Darstellung des autoritären Adels wie die Fastnachtszeitung die Seriosität der Tageszeitung als offizielles Herrschaftsorgan in Frage stellte. Sie entzog sich jeglicher Zensur. Die Narrenfreiheit garantierte ihr den Fortbestand. ![]() >> nach oben Carneval 1892/93: Eine Woche früher zu feiern wird nun zur Regel Die vorliegende „Polizeiverordnung“ von 1892 reagierte kurzfristig auf ein Ereignis, dem wir die Vorverlegung des Carnevalsgeschehens um eine Woche zu verdanken haben. Der Bischof von Münster hielt schon seit längerer Zeit das Fastnachtstreiben für sündhaft und sittenbedrohend. So ordnete er für 1892 das „Vierzigstündige Gebet“ an, eine Nonstopp-Gebetsübung, an der alle Gläubigen in festgelegter Reihenfolge teilzunehmen hatten. (Übrigens lag der Katholikenanteil in Damme um diese Zeit bei 97 %.) Natürlich ließ sich dabei nicht auch noch stundenweise Carneval feiern, geschweige denn ein Umzug durchführen. Trotz vieler Eingaben der Dammer Narren bei der Geistlichkeit vor Ort (Pfarrer), in Vechta (Offizial) und in Münster (Bischof) blieben diese Herren unerbittlich. ![]() Damit schlugen die Dammer dem Bischof ein Schnippchen und sollten sie denn tatsächlich zu Carneval gesündigt haben, so konnten sie es eine Woche später mit Büßen und Beten wieder „ausbügeln“. Dass es bis heute bei diesem Termin geblieben ist, hat natürlich für manch unersättliche Närrinnen und Narren einen Vorteil: Wer will, kann das Wochenende später nochmal oder weiterfeiern... >> nach oben Carneval 1904: Das erste Umzugsfoto! ![]() Mit fünf Umzugsthemen und gruppen war dieser Rosenmontagszug für seine Zeit, d.h. in der Kaiserzeit (1871-1918), „normal“ bestückt, obwohl man 1904 offenbar kein geschlossenes Thema, wie z.B. 1898 den „Chinesenzug“, 1900 „Die Buren“, 1905 „Die Zigeuner“ oder 1907 den „Hauptmann von Köpenick“ gewählt hatte. Denn die Gruppenthemen und -ausstattung bereiteten auf mehreren Sitzungen die Mitglieder der Carnevalsgesellschaft bis ins letzte Detail vor. Die Regel in dieser Epoche des Dammer Carnevals war also der vollkommen durchgeplante und nur von männlichen Mitgliedern der Carnevalsgesellschaft dargestellte Themenumzug. Und selbst dann, wenn man keinen Prinzen fand oder sich auf kein einheitliches Thema einigen konnte, gab es doch als Rosenmontagsumzug den „Großen Zug durch die Gemeinde“, z.T. nicht kostümiert und nur „mit Zylinder und umgewendetem Überzieher“, sprich: Gehrock, auf jeden Fall von Kneipe zu Kneipe und mit viel Musik. Erkennbar sind auf dem vorliegenden Foto neben der vorausgehenden Musikkapelle und dem reitenden Herold an der Zugspitze hinter dem Landauer Sr. Tollität Martin noch das laut Protokollbuch vorbereitete Schiff „S.M.S. Prinz Carneval“. Dass es sich dabei um eine andere als die heutige Vorstellung von einem Carnevalsumzug handelte, liegt auf der Hand: Zwar gibt es schon seit den 1930er Jahren jede Session noch ein allgemeines Motto, doch ist die Themenauswahl und gestaltung ganz und gar der Eigeninitiative einzelner Wagenbauergruppen überlassen ein Element, wovon der Dammer Carneval lebt. >> nach oben Dammer Narren hatten es in den 1920-er Jahren nicht leicht: Mit „Besenschmeißen“ gegen das Carnevalsverbot Im Ersten Weltkrieg hatte man aus nahe liegenden Gründen sämtliche närrische Aktivitäten eingestellt. Das galt auch für das Jahr 1919, denn Waffenstillstand, Abdankung Wilhelms II., „Novemberrevolution“ und schließlich die Wahlen zur ersten Nationalversammlung diktierten das Leben zur Jahreswende 1918/1919. Selbst zum Carneval 1920 spielten noch große Vorbehalte gegen die Wiederaufnahme der Fastnacht eine Rolle. Im Protokollbuch der Dammer Carnevalsgesellschaft von 1614 heißt es noch am 7.1.1920: „Es wird beschlossen, in diesem Jahr mit Rücksicht auf die jetzige ernste Zeit am Rosenmontag keinen Fastnachtsumzug abzuhalten, es soll aber eine Fastnachtszeitung herausgegeben werden und am Fastnachtsdienstag ein Gänsemarsch stattfinden.“ ![]() Diese Art Reaktion auf schleichende Inflation, Nahrungsmittelrationierung, Ausfuhrverbot und Ablieferungspflicht für Landwirte war typisch närrisch und setzte sich im folgenden Jahre fort. Se. Tollität Joseph XI. Bussmann hatte seinen Fastnachtszeitungs-Aufruf im unmissverständlichen Sinne überschrieben: „Stänkerfritzen, stänkert ruhig weiter!“ Der Rosenmontagsumzug lief als „Zug der wilden Zeit“ mit Gruppen wie „Wohnungsnot“, „Notenpresse“ oder „Zeitgemäße Geldschränke“ sowie allerlei direkten oder indirekten Anspielungen auf die Probleme der frühen Weimarer Republik.
Und in diesem hochpolitischen Sinne wäre es auch sicher auch 1922 weitergegangen, denn auf der Sitzung am 4. Januar lagen bereits erste Vorschläge für die Gruppen „Steuerschraube“ und „Geheimplan“ (zur Lösung des Inflationsproblems) vor. Doch dann traf die Dammer Carnevalisten drei Tage später wie ein Blitz aus heiterem Himmel das Karnevalsverbot der Reichs- bzw. Landesregierung, das sich insbesondere gegen alle „öffentlichen Lustbarkeiten“ närrischer Art richtete. Die Irritation war zunächst groß, wiewohl die Versammlung am 18.1. noch geradewegs trotzig die bekannte Strophe „Drum geht das Reich nicht unter“ sang, doch sieben Tage später beantragte einer der sechs (!) anwesenden Narren „die Auflösung der Gesellschaft auf der nächsten Generalversammlung“. (Der Antrag wurde natürlich am 8.2. ohne Rückhalt abgeschmettert.) Bezeichnenderweise sind auf all diesen und den folgenden Sitzungen Präsident Franz Kleyböcker und Vizepräsident Heinrich Schilgen nicht anwesend. Mit der außerordentlichen Generalversammlung am 8.2. allerdings war die Irritation dann vorbei: Man hatte die närrisch angemessene „Umgehung“ gefunden. Der ein Jahr zuvor gegründete TuS Dammensia musste für die beschlossenen getarnten Carnevals-Aktivitäten herhalten. Am 5. und 12. Februar täuschte man „Theaterabende“ im Saale Droste vor, wo laut OV-Anzeige folgende „Komödien“ gespielt wurden: „Der Herr Konfusionsrat“, „Schuster Sohle und sein Ideal“, „Eckensteher Nante im Verhör“, „Budenzauber“ und schließlich „Freiübungen“. Das war natürlich nichts anderes als das, was heute unter Galasitzung mit Büttenreden, Tanz- und Liedvorträgen verstanden wird! Die somit eingeschlagene „sportliche Linie“ gipfelte schließlich in einem „Großen Wintersportfest des Turn- und Sportvereins Dammensia“, das „zufälligerweise“ am 20. Februar, also am Dammer Rosenmontag stattfand. Das Programm kam den Narren selbstverständlich bekannt vor: „10 1⁄2 Uhr vormittags Antreten der Turner vor dem Vereinslokal Sellmann. Anschließend großer Werbeumzug durch den Ort unter Vorantritt der Steinfelder Musikkapelle. Die Altersriege (Turnfreunde) wird erstmalig öffentlich auftreten. Danach turnerische Vorführungen in Liliental, woran sich ebenfalls die Altersriege beteiligen wird. Zum Massenbesuch wird freundlichst eingeladen.“ Ansonsten luden wie immer „Drosten Hein“ zum Ball am Sonntag zuvor und Ww. Tepe am Montag (klein gedruckt: „Rosenmontag“) zum „Großen Tanzbetrieb“. „Die schöne Berta“ annoncierte in der OV ganz unverblümt, sie „bleibt für Dienstag, den 21. Februar für die Dammer Carnevalsgesellschaft reserviert“. Eine andere OV-Anzeige unter dem groß gedruckten Hinweis „Dammer Carneval“ kündigte „Große, große Überraschungen!“ und „Anfang nach Eintreffen der Morgenzüge aus allen Richtungen“ an. Die vorgenannte „Altersriege“ waren übrigens in diesem durchschaubaren Falle die aktiven Narren der Carnevalsgesellschaft. ![]() Für 1922 war also die Dammer Fastnacht trotz Carnevalsverbots relativ unkompliziert gelaufen. Zur Belohnung erhielt sogar der TuS Dammensia aus dem Überschuss der Sessionsabrechnung vom 1. März 100 Mark zugesprochen. Da aber die schleichende Inflation mit dem Jahre 1923 in die Hyperinflation und damit in immer krassere wirtschaftliche Probleme überging, fehlte für den nächsten Carneval die nötige Leichtigkeit und Unterstützung. Auf der Generalversammlung am „Dritten Weihnachtstag“ 1922 bemühte man sich folglich, den Kassenbestand, „um weiterer Geldentwertung vorzubeugen, in Trinkbranntwein Marke Enneking anzulegen“. Narr Hubert Butke schaute bereits weiter und wollte zur nächsten Fastnacht „ein plattdeutsches Theaterstück über die Bretter gehen“ lassen. Dem wird in einer Sitzung am 10.1.1923 entgegengesetzt: „Zu Fastnacht wird ein Besenschmeißen nebst Kegeln auf dem Kirchhof vorgeschlagen.“ Das konkretisierte sich am 17.1., als es im Protokoll hieß: „Narr Bielefeld erklärt das geplante Besenwerfen.“ Wie es dann tatsächlich weiterging, lässt sich aus dem Versammlungsprotokoll vom 31.1. ablesen: „Programm für Rosenmontag I. 8 1/2 Uhr Versammlung in der Hofburg. II. Umzug über Osterdamme, Borringhausen, Rüschendorf, Osterfeine, von dort zurück über Kümpers Mühle, Oldorf, Damme. In Anbetracht der ernsten Zeit u. des Einfalles des Erzfeindes in das Herz unseres Vaterlandes das Ruhrgebiet wird von einem Umzug mit närrischem Prung (!) abgesehen. III. Besenwettkampf: die Leitung wird dem Narren Bielefeld übertragen.“ Was da unter dem Punkt II angedeutet war, darf man wohl als ausgiebige Kneipentour verstehen, während der „Besenwettkampf“ als Abschluss dieser „Sause“ wohl ein Gag aus Sparsamkeitsgründen blieb. Der Hyperinflation gemäß hatte auf jeden Fall ein Exemplar der Fastnachtszeitung in diesem Jahr 200 Mark gekostet, eine Summe, die eilig über die vorgesehenen 150 Mark gedruckt wurde und den schnellen Geldwertverfall verdeutlicht. Die „Schriftleitung“ betonte jedoch, das „Centralorgan des Narrenreichs“ sei nach wie vor „für ein Ei“ (bzw. dessen Gegenwert) erhältlich. Was sich in den Folgejahren an närrischen Aktivitäten anschloss, war recht wenig. Zwar fand am 27.12.23 die turnusgemäße Generalversammlung mit der Wahl eines neuen Präsidenten (Hans Schierberg) ,Vizepräsidenten (August Leiber) und Schriftführers (Carl Diekhöfer) statt, bestimmten auf der übernächsten Sitzung die 13 anwesenden Narren auch noch einen Prinzen (Fritz Enneking), doch beschäftigten sich sowohl Protokoll wie auch die Narren eher mit der Frage, wer die nächste Runde ausgibt, wohingegen von einem Umzug nicht mehr die Rede ist. Allerdings „ordnet“ Se. Tollität Friedrich an, dass „am Rosenmontag die Fahr- und Reitschule ein(en) offiziellen Ritt durch die Residenz veranstaltet“. Auf der „Schlusssitzung“ am 5.3.24 bemängelte Präsident Kleyböcker, dass „die erschienene Fastnachtszeitung weder vom Vorstand noch vom Präsidenten noch von der Redaktion noch von den Adjutanten noch von einem Mitglied der Gesellschaft herausgegeben, ... somit Landesverrat begangen“ sei. Sie blieb denn auch bis 1933 die letzte Fastnachtszeitung, denn nun wurden die Aktivitäten noch spärlicher. Die verspätete Generalversammlung 1925 brachte keinen neuen Vorstand zustande. Also traf man sich erst ein Jahr später, um nur noch den nächsten Hofburgwechsel vorzubereiten, vereinzelte Sitzungen ohne Planung konkreter närrischer Aktivitäten abzuhalten, die nach dem 12.1.1927 dann ganz aufhörten oder zumindest protokollarisch nicht fixiert sind. Ein letzter Eintrag vom Aschermittwoch 1931 stammt von drei Unterzeichneten und betont, dass „die Dammer Fastnacht nicht untergehen“ solle. Was an privaten närrischen Feiern in den Häusern (sog. „Hausbälle“) während der 1920-er Jahre stattfand, wird allenfalls mündlich berichtet, entsprach jedoch dem weiterhin gültigen Carnevalsverbot, dem sich die Dammer Narren trotz mancher Kapriolen 1922/23 schließlich doch beugten. Erst die „Heimatwoche“ im Juli 1933 reaktivierte, förderte und erlaubte erneut die alte Dammer Fastnachtstradition, so dass 1934 wieder regelmäßig das seit etwa 1870 gepflegte (und rheinisch beeinflusste) „Programm“ der Carnevalsgesellschaft von 1614 aufblühen konnte. Ein Teil des Geschilderten ist im Dammer Stadtmuseum in der Carnevalsabteilung ausgestellt, wobei dort auch das entsprechende Büchlein „Notgeld Notzeiten. Damme während der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg“ für 5 EUR erhältlich ist, das auch einen originalgetreuen farbigen Nachdruck des „Dammer Notgelds“, herausgegeben von der Carnevalsgesellschaft, enthält . >> nach oben Dammer Carneval 1933: im Juli und in Vechta... Vor 75 Jahren stieg Phönix aus der Asche
![]() Bevor aber das Mysteriöse ins Dunkel der Umnachtung entfleucht, wollen wir unseren eingangs vollends aufgewühlten Dammer nicht etwa an der geröteten Nase, sondern zum Baum der Erkenntnis führen. Der gereichte Apfel enthält nämlich so manche Frage, wobei der liebe Gott in den tollen Tagen sowieso ungefähr zwei Augen zudrückt. Nur den Geist lassen wir über dem Dammer Wasser ungehindert schweben. ![]() Zäumen wir also den Phönix aus Vers 1 beim Schwanze auf, um unsere gerunzelte Stirn mit dem Geheimnis zu umwölken, warum denn 1933 im Juli eine Fastnachts-Zeitung erscheint - und dann auch noch als Sondernummer. Die Narrenwelt weiß doch unumstößlich. kaum dass sie laufen kann: Erst klingelt das Christkind, dann pingelt Peter. Hier aber scheint man ja Osterhasen und Pfingstochsen den eindeutigen Vortritt gelassen zu haben! ![]() Sein Gefolge, unter dem besonders angenehm Josef Stromann hervorstach, verstärkte diese Wirkung so sehr, dass die Vechtaer jahrzehntelang nicht wagten, einen eigenen Karneval, schon gar nicht einen mit großem C, aufzuziehen, und erst in neuerer Zeit einen separaten Narrenverein auf die flott gemachten Behörden-Beine stellten.
![]() Wenn wir jetzt diese Asche in den Mülleimer der Geschichte kippen, fehlt uns jedoch vorerst der zündende Funke. Auch hier mag zunächst verwirren, dass der sozusagen von Steinfeld kam, demnach also als „Feuer"-Stein. Nun braucht man nicht gleich in Befürchtungen auszubrechen, dass die Dammer ihr Feuer eventuell aus dem benachbarten Steinfeld bezögen, vielmehr waren die Steinfelder selbst schon entflammt im heftigsten Streit um ihren dicken Stein, zumal sie ihn allerjüngst erst mit Ach und Krach aus der Schemder Bergmark herbeigekarrt hatten. Darüber freuten sich in jenen Tagen einige gewitzte Dammer so sehr, dass sie ihn zum Grundstein der wiederaufflammenden Dammer Fastnacht machten - ohne die markigen Folgen schon ganz zu überblicken. (Das Kennzeichnende am Dammer ist ja, dass er selbst im Trüben weit blickt - allerdings auch umgekehrt.) ![]() Das alte Volk von Damme staunte nicht schlecht, erinnerte sich und lachte sich ins Fäustchen. Der Phönix war erstanden und die Asche glühte noch. Heimatliche Funken hatten den bunten Vogel wieder flügge gemacht, denn eine närrische (Land) Kreisbewegung führte erneut ins Zentrum der Narretei nach Damme. Überflüssig zu sagen, dass ein Lauffeuer jedes Haus ergriffen hatte - freilich nicht so wie 1691 in Form des roten Hahns und zerstörerisch, sondern höchst erbaulich. Mit wohlwollender und gelegentlich lauthals geäußerter Freude blicken die Angesteckten jetzt 75 Jahre zurück. Denn wo säßen sie heute zwischen Januar und Februar, hätten nicht die Gillmanns, Butkes, Drostes, Kochs, Stromanns, Leibers, Mählers, Schilgens, Hellmanns, Vieths usf. die Zeichen der Zeit erkannt? Welch ein Bild das Jammers gähnte uns was vor! Diese Zeichen standen, wie man weiß, hinlänglich auf Sturm, denn 1933 ist nicht nur für die Dammer Narren ein Jubel-Jahr, sondern angesichts der (zur Carnevalszeit erfolgten) „Machtergreifung" ein denkwürdig dunkles. Die eingangs bedichtete Asche deutet aber nicht auf den dunkelbraunen Augenblick, „wenn alles in Scherben fällt", sondern auf die heimischen Seelen, die in einem versteckten Kästchen die närrische Urne beigesetzt hatten. Bezeichnend ist hier auch, dass in Vers 2 des Prologs das „empor steigende Reich" hervorsticht. Der feinfühlende Dammer weiß natürlich, wenn „unser Reich“ erwähnt ist, um welches es sich handelt. Es ist nicht tausendjährig, sondern bald vierhundert Lenze jung. Und kein morscher Knochen braucht vor ihm zu zittern. Wie aus der gesamten Carnevalsgeschichte hervorgeht, entbrennt die Fastnacht dann besonders heftig, wenn die Zeiten ein Ventil verlangen. Ein unbändiges Bedürfnis der Dammer nach Unabhängigkeit sprengt darum die Fesseln der Anpassung immer wieder gern. Schließlich war es ja die Dammer Carnevalsgesellschaft von 1614, die als einziger Verein hierzulande nicht von den Nationalsozialisten vereinnahmt oder gleichgeschaltet wurde. >> nach oben |
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